Mitschnacker by Vesper Sabine

Autor:Vesper, Sabine [Vesper, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783863584436
Google: v2GcAwAAQBAJ
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2014-05-20T22:00:00+00:00

Capobianco

Die Sonne brannte schicksalsergeben vom Himmel und trieb die mittägliche Hitze, ungemildert durch Wolken, zu Rekordtemperaturen. Die Vegetation der Stadt litt unter der Dürre. Einzelne Büsche verdorrten bereits, und obwohl es erst Mitte August war, fegte der heiße Südwind gelbe Blätter aus den Kronen der Bäume. Manche Dinge sind einfach nicht zu beeinflussen, dachte Annegret und schloss die Beifahrertür ihres Cabriolets auf.

Noch empfand sie die Mittagshitze als angenehm, denn die heiße Luft wärmte ihre Füße und Beine, die im klimatisierten Büro kalt geworden waren. Noch machten ihr die hohen Temperaturen nicht zu schaffen, aber es war bereits absehbar, dass sie in wenigen Minuten bedauern würde, dass sie morgens statt nach einem luftigen Kleid mal wieder nach Jeans und T-Shirt gegriffen hatte.

Sie öffnete die Tür, stellte ihre Tasche auf den Sitz, ging ums Auto herum, öffnete die Fahrertür, klemmte sich hinters Steuer, steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn und betätigte den Schalter, der das Verdeck automatisch aufklappte. Die Sonnenbrille saß bereits auf ihrer Nase, also gab es nichts weiter zu tun, als den Wagen zu starten und nach Alsterdorf in die psychiatrische Klinik zu steuern. Um Melanie Wiesmüller aufzusuchen, um das Versprechen einzulösen, das sie ihr gegeben hatte, um ihr mitzuteilen, was mit ihrer Tochter geschehen war.

Annegrets Hände zitterten, als sie den Motor startete. Aber sie hatte es gewollt. Trotz des Angebots von Frauke Froboess und Münze, ihr diesen Gang abzunehmen. Sie hatte abgelehnt, weil ihr daran gelegen war, in dieser Angelegenheit Wort zu halten und einem Menschen, einer Frau, einer Mutter, deren Leben einzustürzen drohte, wenigstens mit dieser Geste eine Konstante zu vermitteln.

»Ich empfehle dir Agnello al forno oder Arresto di vitello. Beides ausgezeichnet zubereitet.«

Rosika schaute über den Rand der Speisekarte zu ihr hinüber, um zu prüfen, ob Annegret einen seiner Vorschläge annahm.

»Mir ist nicht nach Fleisch, schon gar nicht nach Fleisch von Tierbabys«, entgegnete sie, klappte die Karte für den Mittagstisch zu und nippte an ihrer Apfelschorle.

Rosika tauschte mit dem Kellner einen bedauernden Da-kann-man-nichts-machen-Blick und bestellte für sich Lammbraten aus dem Ofen und für seine Kollegin eine Pizza Funghi.

»Wie gefällt dir das Capobianco?«

Annegret zuckte mit den Achseln. Sie fühlte sich hundemüde, und ihr stand der Sinn nicht nach oberflächlichem Geplänkel.

»Nett«, sagte sie, ließ ihren Blick über die steinernen Mauern, den weiß getünchten Ofen, die Holztische mit rot-weiß karierten Tischdecken gleiten und legte ihre gefalteten Hände auf den Tisch. »Schön kühl.«

»Und wie hat Frau Wiesmüller die Nachricht vom Tod ihrer Tochter aufgenommen?«

»Gefasst.« Annegret wartete, bis das Grollen in ihrem Magen nachließ. »Ich konnte glücklicherweise den leitenden Arzt sprechen und ihn zu meiner Vorgehensweise befragen. Ob ich der Mutter des Opfers von der Leichenpräparation erzählen soll. Oder ob ich mit der Information beginne, wo wir Fleur gefunden haben, und dann abwarte, ob sie weiter nachfragt. Aber er meinte, ich solle zunächst nur mitteilen, dass Fleur tot sei, weil sie damit ohnehin rechnen würde. Deshalb sei sie ja zusammengebrochen, auch wenn sie es sich selbst gegenüber noch nicht eingestehen könne. Er hat angeboten, wenn ich einverstanden sei, nach und nach im

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